#CaféFlorian vom 20.3.2023
Peter Weibel, Foto: Uli Deck, dpa
Wir haben uns in unserer Blackboard Conference und in unserer Cafe Florian dieses Mal mit dem Thema Kunststudium beschäftigt und sind dabei unter anderem auf den kürzlich verstorbenen Medientheoretiker und Künstler Peter Weibel eingegangen.
Beginnen wir also unsere Reise etwa in den späten Sechzigern und erinnern uns an das Filmfestival Viennale, das zu dieser Zeit von Aufbruch bestimmt war. In dieser überhaupt sehr spannenden Phase hatte sich das Medium Film als der verlängerte Arm einer radikalen bildenden Kunst dargestellt. Die aufgeladene Stimmung, die damals auch im Festivalkino der Urania herrschte, war Ausdruck einer Zeit, in der man eben auch unter Film eine Avantgarde verstand. Damals begegnete man schon Peter Weibel, der einen Nivea-Ball auf der Bühne balancierte und in einer anderen Inszenierung die damals junge Valie Export, die Super 8 Porno und Zeichentrickfilme auf den von der Leinwand herab monologisierenden Peter Weibel projizierte. Dieses sogenannte „Expanded Cinema“ war der Versuch, das Kino nicht nur als Ebene der Narration, sondern auch als performatives Element einer Film-KUNST zu definieren, also eine Art Gegenwelt zu den eineinhalb Stunden, die uns bis dahin Hollywood beschert hatte. Jedenfalls schien es, als würden bei dieser radikal neuen Filmsprache alle mitmachen. Wie viele dieser Zeit hatte auch der Wiener Filmkünstler Peter Kubelka mit seinen hochverdichteten Arbeiten ein eigenständige Kunstgattung definiert und Rudimente aus den „alten Künsten“ abgelehnt. Und Kubelka war es auch, der anlässlich einer Fernsehdiskussion die Verhältnisse der Filmkunst und des kommerziellen Films auf prägnante wie überraschende Weise neu ordnete. Denn Kubelka bezeichnete die engagierten Hollywoodproduktionen als kommerziell und versuchte zu verdeutlichen, dass sich die Förderung von Filmen ausschließlich an künstlerische! Kriterien zu orientieren hätte, was die lange Verleugnung international höchst anerkannter Vertreter dieser filmischen Kunstform wie eben Kubelka, Scheugl, Ernst Schmidt jr., Kurt Kren u.a. beenden würde. All das war und ist für Leute, die den Film, besonders in Österreich, nur als oscarwürdiges Kinoprodukt begreifen, eine völlig neue Sichtweise. Schliesslich war diese Art von Film auch die historische Basis für das, was man später Medienkunst nannte, und die mit dem sogenannten „Kinofilm“ oft nur die Nutzung von Kamera, Zelluloid u.a. gemeinsam hatten. (siehe Film als Film, Ernst Schmid jr. Dumont Verlag).
Dann - die Russen waren inzwischen in der damaligen Tschechoslowakei einmarschiert - kannte ganz Österreich nur ein Diskussionsthema: die sogenannten Uni-Ferkelei, jene Veranstaltung, die im Zuge einer im wahrste Sinn des Wortes flammenden Weibel-Aktion als „Kunst und Revolution“ alles in Österreich in panikartigen Schrecken versetzte. Man hatte in einem Hörsaal der Universität Wien die sogenannten guten Sitten zutiefst verletzt. Diese Kunst-Aktion, die eigentlich so etwas wie die Studentenbewegung Österreichs darstellte, empörte jedenfalls das „Nachkriegsösterreich“ und stellte die bisherige Kunstrezeption auf den Kopf. Mehr gab es nicht, weniger aber auch nicht. Diese Aktion beinhaltete also eigentlich alles, was Österreichs Klein- und Kleinstbürger nach dem Krieg noch gebraucht haben, um zu verstehen, dass „Kunst“ ihr Leben nachhaltig gefährden kann und das damit alles, was schon in den Jahren zuvor als Volksmeinung kursierte, sich bestätigen sollte: der oder die Künstler als sexuell entartete Revoluzzer, als alle Grenzen sprengende Anarchisten. Der Staat und seine „Staastzeitung“, die Kronen Zeitung, ja das ganze Volk schäumte, und sicherlich weit entfernt von dem, was heute entrüstet, rüttelte diese Veranstaltung damals an den kulturellen Grundfesten der Nation. Es gab nicht wenige der daran beteiligen Künstler, die dann das Land verlassen mussten oder es vorzogen, woanders zu leben.
Und dann freilich viel später, in den Achtzigern, unterrichteten sie teilweise wieder an den Hochschulen. Peter Weibel zum Beispiel an der Wiener Angewandten Medienkunst. Die Hochschule, damals noch ganz im Sinne des Meisterklassenprinzips, bemühte sich jedenfalls, außeruniversitärer Einflüsse in die Akademie zu bringen. Darunter Karl Lagerfeld, Vivienne Westwood, Bazon Brock, ja auch Joseph Beuys. Es war die Zeit der Medienkunst, die angeblich alle anderen Künste verdrängen sollte und es war der langsame Einzug der Computertechnik in die heiligen Hallen der Kunst. (siehe Zeittransgraphie HdK Gabor Body) . Peter Weibel war auch hier wieder unermüdlich dabei, die Bedingungen für Studierende zu verbessern, indem er sich u.a. dafür einsetzte, ihren Weg in das „große Videostudio“ zu ebnen.
Der Universalkünstler
Peter Weibel, der mehr und mehr zum Theoretiker wurde und des öfteren auch mal die Ausführung seiner Arbeiten seinen Studenten überliess, war sicher auch einer der ersten, der hartnäckig mitunter die Kunst selbst einer reflektorisch theoretischen Auseinandersetzung unterziehen wollte. Immer wieder stellte er das Künstlergenie in Frage, das sich ja direkt und indirekt immer auch auf den Hochschulen und in der Professorenriege zeigte. Und damit, wenn auch nicht nur, evozierte und inspirierte er jene Künstlerriege der Gegenwart, die es heute bevorzugen, in Teams zu agieren (Olafur Eliasson, Philippe Parreno u.a.) So sagte Peter Weibel in einem kürzlich wiederholten Interview, dass ihm von Seiten der Kunst seit seinen ersten Aktionen misstraut wurde, und er wohl deshalb auch umgekehrt der Kunst und der Kunstwelt misstrauen muss. Das kann sicherlich jeder, der nicht gerade nur einfach verstehbare Malerei produziert, durchaus unterschreiben.
Es gab eben in diesen Zeiten etwas, was es heute nicht mehr gibt, nicht mehr geben kann: „Die Avantgarde“, von der Peter Weibel meinte, „sie träume von einem gleichen Bewusstsein aller“ und in der man einfach dazu gehören konnte, denn ausserhalb davon waren all die Anderen.
Das Biotop einer Hochschule
Studieren, so könnte man in Abwandlung eines Spruches sagen, ist schön, aber macht viel Arbeit. Vielleicht weil man ahnt, dass man am Ende möglicherweise soviel weiß, wie vorher, nur das man ca. 4 Jahre in einem geschützten Biotop verbringt. Für viele aber ist es auch mit viel Kopfzerbrechen verbunden, welches Studium, wohl welche Art von Ausbildung den spezifischen Neigungen gerecht werden würden. Diese Idee einer staatlichen, kulturellen Ausbildungssituation erscheint einem am Anfang seiner Lebenslaufbahn natürlich attraktiv und als Voraussetzung für weiteres, dennoch aber entlässt einem dieses Erwachen aus dieser geschützten Atmosphäre doch in nichts weniger als in eine unsichere Welt. Während einem das System Studium intensive Einblicke in den Umstand gibt, dass junge, in einem künstlerischen Vorstadium befindliche Studierende, sich genau deshalb einer Bewertung entziehen, weil sie der Idee einer Kunst im geschützten Territorium folgen, einer Kunst, die mehr oder weniger dem Meisterklassenprinzip folgt, und sie dieses vermutlich auch später weiterführen werden. So kann es nicht unerwähnt bleiben, dass es im statistischen Mittel auch maximal 3-4 der Studierenden einer Klasse sind, die sich nachhaltig in der Kunstwelt etablieren können. Man könnte meinen, vielleicht wäre das ideale Kunststudium im eigentlichen Sinne gar kein Kunststudium, sondern eine geisteswissenschaftlich-theoretische Auseinandersetzung, die auch Elemente der Esoterik, der Materialkonfrontation, im Sinne der „Sozialen Plastik“ miteinschließt, die sich an einem „Selbst“ orientiert, und die noch mehr die künstlerischen Theorien und Überlegungen einbeziehen, als das gegenwärtig geschieht. So ein Kunststudium ist natürlich fern jeder Realität, aber es wäre eines, das heute zeitgemäßer wäre und uns alle noch einmal gerne studieren lassen würde. So ist wohl die beste Ausbildung eine, in der man selber lebt und die zu einem lebenslangen Lernen beiträgt und dazugehört. Auch in dieser Hinsicht war Peter Weibel neben seinen verschiedenen künstlerischen Aktivitäten ein Markenzeichen für seinen theoretischen Ansatz. So ist in einem der letzten Bilder Peter Weibel er selbst am Schreibtisch zu sehen, inmitten einer riesigen Bücherlandschaft, in der er gewissermaßen untergegangen und verschwunden ist.
Heute sind alle möglichen Ausbildungen in der internationalen Kunstwelt anzutreffen ohne eindeutige Präferenz für den klassischen Studienablauf innerhalb der Kunstuni. Der mehrfache Documenta-Teilnehmer Carsten Höller als Biologe oder der bis zu seinem 50er praktizierende Arzt Wolfgang Laib werden da u.a. gelegentlich zitiert. Diese Beispiele ließen sich ins Endlose fortsetzen Der Bezug zur klassischen Kunstausbildung ist natürlich mehr von Bedeutung, wenn man beispielsweise Malerei oder Bildhauerei studiert, wo diese Ausbildungsschritte vielleicht noch mehr zählen. Inzwischen aber ist der nachfolgende Entwicklungsschritt in die Kunstwelt von vielen neuen Möglichkeiten begleitet. Es gibt unzählige Teams und Kooperationen, die sich den Kunststudenten nach ihrem Studium anbieten.
So geht auch unsere künstlerische Konstruktion davon aus, dass man am meisten Erfahrungen macht, wenn man randständige, wissenschaftliche und kreative Überlegungen und Praktiken verbindet. Welches Kunststudium auch immer in den Himmel der Selbstbeschäftigung und Selbstdefinition führt, muss man schliesslich selbst herausfinden. Egal ob an einer Kunstakademie oder vielleicht ausserhalb bei unserem fern.sehen 10001.
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